Das Gesundheitswesen und speziell ein Spitalbetrieb können durch digitalisierte Prozesse und Schnittstellen enorme Fortschritte nicht nur im Ablauf der Patientenbetreuung, sondern auch in der medizinischen Versorgung erzielen. Welche Stationen durchläuft ein Patient in der Notfallaufnahme in einem Spital, und wie werden seine Daten in das zentrale Dashboard eingespiesen? Wie Bits und Bytes Leben retten helfen.

Das Spital Muri hat in den vergangenen Jahren und Monaten grosse Schritte in Richtung Digitalisierung vollzogen. Inwiefern waren Sie als leitende Ärztin direkt in diese Prozesse involviert?

Ich war und bin in verschiedene Digitalisierungsprojekte involviert, die vor allem die Prozesse der Notfallstation und der Notfallpraxis betreffen. Relevant sind für uns natürlich sämtliche Schnittstellen mit anderen Abteilungen, wie zum Beispiel der Radiologie. Basis unserer Digitalisierungsstrategie ist das Klinikinformationssystem (KIS). In diesem befinden sich die jeweilige elektronische Krankengeschichte und Patientenakte, so dass von allen Orten im Spital auf diese Informationen zugegriffen werden kann. Kern dieses Systems auf der Notfallstation ist das zusammen mit der Pflege entwickelte digitale Dashboard.  Auf einem grossen Bildschirm haben wir die Übersicht über alle Patientinnen und Patienten der Notfallstation mit den wichtigsten Informationen, wie zum Beispiel der Ort und die Dringlichkeit der Behandlung sowie geplante und erfolgte diagnostische Abklärungen.

Dr. med. Beate Schramm
Dr. med. Beate Schramm
Dr. med. Beate Schramm
Dr. med. Beate Schramm
Dr. med. Beate Schramm

Früher verbrachte man oft Stunden mit der Suche nach alten Berichten und Röntgenbildern.

Welches sind denn die digitalen Kontaktpunkte, die ein Patient beim Eintritt in Ihre Station durchläuft?

Bei Aufnahme werden sämtliche Personendaten erfasst und in das System eingespiesen. Daraufhin erfolgt durch die Pflege die Triagierung des Fachgebietes (Medizin, Chirurgie, Gynäkologie) sowie der Dringlichkeit der Behandlung anhand einer ersten Verdachtsdiagnose. Dabei werden verschiedene Parameter erhoben, zum Beispiel sogenannte Vitalzeichen wie Blutdruck, Puls oder Temperatur. Diese Informationen werden im KIS erfasst und im Dashboard abgebildet. Daraufhin wird die zuständige Ärztin beziehungsweise der zuständige Arzt informiert. Diese haben dann sogleich Zugriff auf alle notwendigen Daten und Dokumente. Während wir früher oft stundenlang im Archiv nach alten Berichten oder Röntgenbildern gesucht haben, sind diese nun per Mausklick und an jedem Arbeitsplatz im Spital abrufbar. Im KIS werden unter anderem die erhobenen Befunde dokumentiert, Verordnungen bei einem Spitalaufenthalt gemacht, Operationen angemeldet sowie Berichte, Rezepte und Arbeitsunfähigkeitszeugnisse erfasst.

Die Vorteile der digitalisierten Prozesse – gerade, wenn der Zeitfaktor mitspielt – liegen natürlich auf der Hand. Welche Schwierigkeiten und Hürden gab es denn zu überwinden auf dem Weg dahin?

Um einen Prozess zu digitalisieren, ist in einem ersten Schritt die intensive Prozessanalyse und gegebenenfalls auch die Anpassung des Prozesses notwendig. Erst danach kann die IT die gestellten Anforderungen ausarbeiten. Herausforderungen hinsichtlich der Schnittstellen waren sicherlich die Kompatibilität von Applikationen verschiedener Abteilungen wie zum Beispiel dem Labor oder der Radiologie. Digitalisierung bedeutet auf der einen Seite eine deutliche Unterstützung in der täglichen Arbeit, auf der anderen Seite aber auch mehr Administration, so dass hier ein guter Mittelweg gefunden werden muss. 

Bei der Digitalisierung spielen auch Fragen des Datenschutzes eine grosse Rolle, speziell im sensiblen Gesundheitswesen. Wie gehen Sie damit um?

Sämtliche die Gesundheit betreffenden Personendaten gelten als besonders schützenswerte Personendaten. Neben dem eigentlichen Datenschutz kommen in einem Spital ja noch die ärztliche Schweigepflicht, das Auskunfts- und Einsichtsrecht oder die Information von Angehörigen dazu. Unser hausinterner Datenschutzbeauftragte erarbeitet gemäss den datenschutzrechtlichen Anforderungen von Bund und Kanton Weisungen für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Diese Weisungen werden geschult und sind in unserer digitalen Dokumentenbibliothek verfügbar. Hinsichtlich des «elektronischen Patientendossiers (EPD)» sind wir im Spital Muri bestens vorbereitet.

Wo leistet die Digitalisierung spürbare Verbesserungen in der medizinischen Diagnose und Therapie?

Ein Fortschritt in der medizinischen Diagnostik ist sicherlich die bessere Qualität der radiologischen Bildgebung. Konventionelle radiologische Bilder können zum Beispiel hinsichtlich des Kontrastes bearbeitet werden und somit die Beurteilung vereinfachen. Vermessungen und Winkelbestimmungen sind direkt am Bildschirm möglich, dies ist zum Beispiel für die Traumatologie wichtig. In der Computertomografie wiederum werden die Schnitte dünner und die Strahlenbelastung für die Patienten weniger. Dank der Digitalisierung können auch externe Experten bei der Behandlung hinzugezogen werden. Auch zum Thema künstliche Intelligenz in der Medizin scheint es vielversprechende Entwicklungen zu geben, unter anderem durch entscheidungsunterstützende Systeme bei der Erkennung von Tumorzellen.

Wenn uns die Digitalisierung mehr Zeit gibt, uns dem Zwischenmenschlichen zu widmen, haben wir schon viel erreicht.

Dr. med. Beate Schramm
Dr. med. Beate Schramm
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Wo sind der Digitalisierung in einem Spital Grenzen gesetzt, beziehungsweise, wo sind und bleiben menschliche Interaktion und Handarbeit unersetzlich?

Die Digitalisierung oder auch die künstliche Intelligenz kann aus meiner Sicht die Ärztin oder den Arzt unterstützen, aber nicht ersetzen. Das Verhältnis zwischen Arzt und Patient ist eine menschliche Beziehung, die nicht nur von harten Daten und Fakten lebt. Die Anamnese und die körperliche Untersuchung der Patientinnen und Patienten sind zentral für eine gute Beurteilung und Behandlung. Ein Vertrauensverhältnis kann nur in einem persönlichen Gespräch aufgebaut werden. Wenn uns die Digitalisierung mehr Zeit und Raum gibt, uns dem Zwischenmenschlichen zu widmen, haben wir schon viel erreicht.

Dr. med. Beate Schramm

Dr. med. Beate Schramm

Dr. med. Beate Schramm ist leitende Ärztin Chirurgie und leitet die Notfallstation und die Notfallpraxis im Spital Muri. Sie ist zudem ATLS-Instruktorin (Advanced Trauma Life Support) und bildet Ärztinnen und Ärzte in der Beurteilung und der Behandlung von Schwerverletzten aus.

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